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Politik

Mehrere Finanzverstöße vermutet: ÖVP im Visier des Rechnungshofes

Der nächste Skandal im Umfeld der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) bahnt sich an. Denn der Rechnungshof der Republik ortet eine Reihe von Verstößen gegen das Parteigesetz, die das Wahljahr 2019 betreffen. Erstmals in der Geschichte der Institution wird nun ein Wirtschaftsprüfer in eine Parteizentrale geschickt, um die Kostenlegung vor Ort unter die Lupe zu nehmen.
Julian Schernthaner
Von
4 Min.
Von der „neuen“ Volkspartei ist nicht mehr viel übrig. Screenshot: Telegram (Bildausschnitt)

Von der „neuen“ Volkspartei ist nicht mehr viel übrig. Screenshot: Telegram (Bildausschnitt)

Der nächste Skandal im Umfeld der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) bahnt sich an. Denn der Rechnungshof der Republik ortet eine Reihe von Verstößen gegen das Parteigesetz, die das Wahljahr 2019 betreffen. Erstmals in der Geschichte der Institution wird nun ein Wirtschaftsprüfer in eine Parteizentrale geschickt, um die Kostenlegung vor Ort unter die Lupe zu nehmen.

Wien. – Neben direkten Wahlkampfkosten, bei deren Abrechnung Unregelmäßigkeiten vermutet werden, geht es auch um mögliche Tricksereien rund um Vorfeldorganisationen. So wertet das unabhängige Organ etwa Gruppierungen wie den ÖVP-Seniorenbund als Teil der Partei – was angesichts der Affäre um die Corona-Sonderförderungen in Oberösterreich und Tirol für die Folgeberichte der Jahre 2020 und 2021 spannend werden könnte. Dasselbe gilt für ominöse Inseratengelder von knapp 1,5 Mio. Euro, die im Rechnungszeitraum in teils parteinahen Zeitungen geschaltet wurden: Diese seien Parteispenden. Die Opposition kritisiert die publik gewordenen Gebahren und fordert Konsequenzen.

Langes Verfahren mit massiven Vorwürfen

Das Kontrollverfahren dauert bereits beinahe zwei Jahre, in denen es regelmäßig Aufforderungen zur Stellungnahme gab und offenbar nicht die vollständigen Unterlagen beigebracht wurden. Im Bezug auf die direkten Wahlkampfkosten wiegen vor allem zwei Vorwürfe schwer:

Zum einen habe man von dritter Seite als authentisch zu wertende Dokumente erhalten, die eine Einhaltung der Wahlkampfkosten-Obergrenze „zweifelhaft erscheinen“ lassen. Zum anderen sei es „mit der politischen Lebenswirklichkeit […] schwer in Einklang zu bringen, dass für die Nationalratswahl deutlich weniger Wahlkampfkosten ausgegeben worden sein sollen als für die EU-Wahl“.

Dazu kommen noch etwa Umfragen des Finanzministeriums, die eine parteipolitische Motivation nahe legen sowie mutmaßliche Unregelmäßigkeiten rund um Bünde und Inseratenschaltungen in Vorarlberg und Niederösterreich im großen Stil sowie in Kärnten und in der Steiermark in geringerem Ausmaß. Alleine die Presseinformation des Rechnungshofs zur Thematik umfasste neun Seiten.

Nehammer beteuert: „Nichts zu verbergen“

Das historisch erstmalige Prüfverfahren ist umso beachtlicher, da es sich bei der Rechnungshof-Chefin Margit Kraker um eine ÖVP-Parteigängerin handelt, die 13 Jahre lang Büroleiterin des scheidenden steirischen Landeshauptmannes Hermann Schützenhöfer war. Diese Besetzung im Jahr 2016 bewahrte die Volkspartei nun aber nicht vor Ermittlungen und der Veröffentlichung des Rechenschaftsberichts.

Die Parteispitze konterte auf die Entwicklungen mit demonstrativer Gelassenheit. Kanzler Karl Nehammer (ÖVP), im fragwürdigen Zeitraum immerhin Generalsekretär der Partei, behauptete, man habe „nichts zu verbergen“. Er sagte die „volle Kooperation“ zu. Er beteuerte die Rechtmäßigkeit aller Vorgänge und verwies auf die saftige Geldbuße, die man für die Überschreitung im Jahr 2017 zahlte.

FPÖ ortet „Korruptions-Schneeballsystem“

Die Oppositionsparteien bezweifeln indes, dass alles so sauber war, wie die Volkspartei es darstellt. Christian Hafenecker, FPÖ-Fraktionsführer im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss, sprach von einem „erschütternden Einblick in ÖVP-Finanztricks“. Es würden sich „Abgründe aus Korruption, Intrige, unrechtmäßiger Übervorteilung und nun auch plumper Zahlentrickserei“ eröffnen.

Man gewinne, so der freiheitliche Parlamentarier, den Eindruck, als „stecke eine Art ‚Korruptions-Schneeballsystem‘ dahinter, bei dem jeder neue Skandal die Fülle an vorangegangenen überdenken und aus dem kollektiven Gedächtnis löschen soll“. Die ÖVP sei nicht nur dem Rechnungshof und den politischen Mitbewerbern, sondern vor allem auch den Bürgern „gleich mehrere Erklärungen schuldig.“

Kickl fordert sofortige Neuwahlen

Ähnlich drastisch äußerte sich FPÖ-Parteichef Herbert Kickl: Es vergehe „mittlerweile keine Woche mehr, in der nicht neue Abgründe des unfassbaren Sittenbildes der ÖVP zu Tage treten.“ Konsequenz müsse sein, dass „die ÖVP nun sofort den Weg für Neuwahlen freimacht und sich selbst einem inneren Reinigungsprozess unterzieht. Nehammer sei als Kanzler und Parteichef „nicht länger tragbar“.

Auch der freiheitliche Generalsekretär Michael Schnedlitz hielt sich mit seiner Kritik an den Schwarzen nicht zurück. Der Rechenschaftsbericht der ÖVP sei ein „einziges Schummel- und Blendwerk.“ Die Kanzlerpartei habe „die Ebene der Rechtsstaatlichkeit offenbar verlassen“ und werde „immer mehr ein Fall für den Mafia-Paragraphen.“ Nicht nur Nehammer, sondern die gesamte ÖVP müsse „dringend von den Schalthebeln der Macht entfernt werden.“

Auch SPÖ & NEOS beklagen „Tricksereien“

Für einen raschen Urnengang plädierte indes auch SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch. Er fasste seinen Eindruck zusammen: „Tarnen, Tricksen, Täuschen und Taschen-Vollstopfen ist türkises Programm“. Nehammers Versicherung, wonach seine Partei „kein Korruptionsproblem“ habe, sei „lachhaft und ein Schlag ins Gesicht der Bevölkerung“, die „türkisen Tricksereien und Machenschaften stinken zum Himmel.“ Die türkis-grüne Bundesregierung sieht auch er am Ende.

Bislang keine Neuwahlforderung gibt es von den NEOS. Nichtsdestotrotz übte die Partei ebenfalls harsche Kritik. Generalsekretär Douglas Hoyos sprach von einem „historischen Tiefpunkt“ und rief den Kanzler in die Pflicht: „Durch seine Rolle als Generalsekretär ist Nehammer dafür verantwortlich, was im Wahlkampf 2019 passiert ist.“ Die Volkspartei hantiere „vollkommen unverschämt und eigennützig mit dem Steuergeld der Österreicherinnen und Österreichern“. Es brauche volle Transparenz.

Regierungsparteien stürzen in Umfragen ab

Während es für die Kanzlerpartei politisch immer dünner wird, gilt dies Umfragen zufolge auch für die Wählergunst. Sowohl die ÖVP als auch der grüne Juniorpartner stürzen dort immer weiter ab. Erstere grundelt aktuell bei 20 bis 23 Prozent herum, letztere kämpfen um die Zweistelligkeit. Während also nur mehr ein gutes Drittel eine der beiden Regierungsparteien wählen würde, profitiert die Opposition.

Die SPÖ übertraf zuletzt sogar in zwei Umfragen zum ersten Mal seit Jahren die 30 Prozent-Schwelle, auch die Freiheitlichen halten sich stabil um die 20-Prozent-Marke. Die NEOS kämen auf 11 bis 12 Prozent und wären somit noch vor den Grünen stärkste Kraft. Wohl auch aus den zu erwartenden herben Verlusten dürfte die Regierung somit die Wahlurne scheuen wie der Teufel das Weihwasser.

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